Personen-Lexikon
Lexikon der Referenten der „Leitfossilien“-Reihe und weiterer Wissenschaftler
Prof. Dr. Hanns Ruder
Prof. Dr. Hanns Ruder wurde am 3.11.1939 in Nürnberg als Sohn eines mittelständischen Unternehmers geboren. Bereits in früher Kindheit erkrankte er an Kinderlähmung, wovon er eine lebenslange Behinderung davontrug. Nach dem Besuch der Volksschule trat er im Herbst 1949 an die Nürnberger Dürer-Oberrealschule in der Sielstraße über. Schon in der „Sexta“ traten seine astronomischen Interessen zutage, als er beim Thema „Planeten-System“ mit detaillierten Kenntnissen über unsere Milchstraße aufwarten konnte. In der sehr regen Schulklasse, die vor allem auch großes Interesse am Physikunterricht zeigte und eine Reihe tüchtiger Wissenschaftler hervorbrachte, war er überaus aktiv und befruchtete durch kritische Rückfragen den Unterricht in Mathematik und Physik.
In der Fabrik seines Vaters war er fleißig unterwegs und fand Klassenkameraden als Helfer zum Bau einer eigenen Sternwarte auf dem Fabrikgelände im Stadtteil Schweinau. Es entstand ein kleines Gebäude für ein Newton-Spiegelteleskop. Der Parabolspiegel und die parallaktische Montierung wurden anhand umfangreicher Literatur selbst hergestellt. In der Abiturklasse fanden sich drei Mitschüler, die mit ihm gemeinsam an der Universität Erlangen das Studium der Physik begannen. Nach der Promotion fungierten Hanns Ruder und sein Schulkamerad Helmut Näpfel schließlich als wissenschaftliche Assistenten am Institut für theoretische Physik. Im Februar 1961, während des Wintersemesters, fuhren er und drei Freunde mit dem Auto nach Alassio an der Riviera di Ponte, um die Sonnenfinsternis zu beobachten.
Das Thema seiner Dissertation im Jahre 1967 lautete: „Zur Lösung des quantenmechanischen Drei-Körper-Problems.“ Er habilitierte sich and er Universität Erlangen im Jahre 1972. 1978 – 1983 lehrte er als Professor für Theoretische Physik ebenfalls in Erlangen, bis er im Jahre 1983 als Professor für Theoretische Astrophysik an die Universität Tübingen berufen wurde. Dort entwickelte er eine außerordentliche Aktivität, vor allem auch in der Vermittlung der Einstein'schen Relativitätstheorie, von der auch die Erlanger Physiker einen kleinen Einblick erhielten, wenn er dort seine „spektakulären“ und überaus gefragten astronomischen Vorträge hielt, in denen er z.B. den Ausblick aus Raumschiffen simulierte, die mit angenäherter Lichtgeschwindigkeit durch den Kosmos eilen. Den Sonderforschungsbereich 382 „Verfahren und Algorithmen zur Simulation physikalischer Prozesse auf Höchstleistungsrechnern" der Universitäten Tübingen und Stuttgart leitete er von 1994 bis 2006 als Sprecher.
Hanns Ruder brachte über Jahrzehnte in unzähligen Vorträgen einer breiten Öffentlichkeit physikalische und astrophysikalische Phänomene nahe. Sehr aktiv war er insbesondere auch im Einstein-Jahr 2005, als er das „Einsteinfahrrad“ entwickelte, mit dessen Hilfe man eine virtuelle Fahrt mit Lichtgeschwindigkeit und damit die Auswirkungen der Relativitätstheorie hautnah erleben kann.
Seine Forschungsschwerpunkte waren Materie in extrem starken Magnetfeldern, Radiopulsare, Röntgenpulsare, magnetisierte Weiße Zwerge und Neutronensterne, numerische Methoden in der Hydrodynamik und in der allgemeinen Relativitätstheorie, Akkretionsscheiben und -säulen, Biomechanik und Visualisierung.
Curriculum Vitae
1939 | Geboren |
1964 | Diplom am am Institut für Theoretische Physik der Universität Erlangen-Nürnberg |
1967 | Promotion an der Universität Erlangen-Nürnberg |
1972 | Habilitation an der Universität Erlangen-Nürnberg |
1972 – 1978 | Wissenschaftlicher Rat Universität Erlangen-Nürnberg |
1978 – 1983 | Professor für Theoretische Physik, Universität Erlangen-Nürnberg |
1983 – 2006 | Professor für Theoretische Astrophysik, Universität Tübingen |
1984 – 1986 | Dekan und Prodekan der Fakultät für Physik der Universität Tübingen |
1993 – 1996 | Vorsitzender des Vorstands der Astronomischen Gesellschaft |
1994 | Verleihung der Ehrenmitgliedschaft in der Nürnberger Astronomischen Arbeitsgemeinschaft e.V. |
1994 | Veröffentlichung des Standardwerks „Atoms in Strong Magnetic Fields“ mit Günter Wunner, Heinz Herold und Florian Geyer |
1994 – 2006 | Sprecher des Sonderforschungsbereichs 382 „Verfahren und Algorithmen zur Simulation physikalischer Prozesse auf Höchstleistungsrechnern“ |
2001 – 2009 | Aufsichtsratsvorsitzender der science+computing AG |
2002 | Robert-Wichard-Pohl-Preis der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, der jährlich für besondere Leistungen in der Physikdidaktik und fachübergreifende Arbeiten in Experimentalphysik vergeben wird (1. Träger Roman Sexl) |
2002 – 2009 | Mitglied des Preiskomitees für den Georg-Kerschensteiner-Preis |
2006 | Gründung der Stiftung Interaktive Astronomie und Astrophysik (mit Dieter Husar) |
2006 | Medaille für Naturwissenschaftliche Publizistik von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft |
2012 | Lorenz-Oken-Medaille der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ – Die Wissensgesellschaft) |
Seit 2013 | Ehrenmitglied der Nürnberger Astronomischen Arbeitsgemeinschaft |
2014 | Vergabe des Namens „(250164) Hannsruder“ für einen Asteroiden durch die Internationale Astronomische Union |
Seit 2014 | Mitglied der Simon Marius Gesellschaft (SiMaG) |
2015 | Mitte Oktober nach schwerer Krankheit verstorben (Nachruf) |
Vorträge bei uns
02.12.2009 19:00 – 20:30 | Edwin Powell Hubble – Die Entdeckung der Expansion | Leitfossilien der Astronomie |
12.11.2009 15:30 – 16:45 | Kosmologie – der Wissensstand unserer Zeit | Simon-Marius-Tagung |
17.11.1998 19:00 – 20:30 | Edwin Hubble – Das expandierende Universum | Leitfossilien naturwissenschaftlichen Denkens |